Der Bundesgerichtshof hat Selbständige und Freiberufler, die Ihren Geschäftsbetrieb in der Insolvenz in Eigenregie sanieren, den Rücken gestärkt: Sie sind zwar verpflichtet, dem Insolvenzverwalter und dem Insolvenzgericht diejenigen Auskünfte zu erteilen, die erforderlich sind, um bemessen zu können, welches Einkommen bei einer – fiktiven – abhängigen Beschäftigung erzielt werden könnte (insbesondere also Auskünfte zu Ausbildung und eigener beruflicher Erfahrungen in der Vergangenheit aber auch Auskünfte zu Branche, Größe seines Unternehmens, Zahl der Angestellten sowie erzielter Umsatz). Es besteht aber keine Verpflichtung, zu offenbaren, was im Rahmen der freigegebenen selbständigen oder freiberuflichen Tätigkeit tatsächlich als Gewinn übrig bleibt. Nach unseren Beobachtungen werden Insolvenzschuldner mit freigegebenem Betrieb immer wieder von Insolvenzverwaltern aufgefordert, aktuelle Gewinnermittlungen offenzulegen. Wir haben den Schuldnern bereits in der Vergangenheit davon abgeraten und dabei darauf hingewiesen, dass der Insolvenzverwalter derartige Informationen für seine Arbeit gar nicht benötigt. Das hat jetzt auch der Bundesgerichtshof (IX ZB 165/11) klargestellt. Aus der Entscheidung wie folgt:

a) In der Wohlverhaltensphase hat der selbständig tätige Schuldner auf Verlangen Auskünfte zu erteilen, aus denen die ihm mögliche abhängige Tätigkeit bestimmt und das anzunehmende fiktive Nettoeinkommen ermittelt werden kann, nicht jedoch Auskünfte über etwaige Gewinne aus seiner selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit.

b) Verlangt ein Gericht eine solche – nicht durch § 295 Abs.1 Nr. 3 InsO gedeckte – Auskunft, begründen die Nichterteilung der Auskunft, eine unvollständige oder verspätete Auskunft grundsätzlich keine Obliegenheitsverletzung nach § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO oder nach § 296 Abs. 2 Satz 3 Fall 1 InsO.

Zum Hintergrund:
Stellt ein Selbständiger einen Eigenantrag auf Durchführung des Insolvenzverfahrens nebst Restschuldbefreiungsantrag und kommt es daraufhin zu einer Eröffnung des Insolvenzverfahrens, dann ist sowohl das private als auch das geschäftliche Vermögen des Selbständigen von dem Insolvenzbeschlag erfasst und gehört zur Insolvenzmasse, die durch den Insolvenzverwalter verwertet wird. Der Insolvenzverwalter hat auch ein Zugriffsrecht auf den Neuerwerb des Unternehmens, also auf die während der Fortführung des Gewerbebetriebes in dem Insolvenzverfahren erwirtschafteten Einnahmen (vgl. § 35 Abs. 1, 2. Variante InsO). Nun ist die Fortführung eines Gewerbebetriebes für einen Insolvenzverwalter immer mit dem Risiko behaftet, dass die noch vorhandenen Vermögenswerte des Schuldners durch die laufenden Kosten der selbständigen Tätigkeit aufgezehrt werden. Deshalb hat der Gesetzgeber bereits im Juli 2007 zur Verhinderung einer Gefährdung der Masse die Möglichkeit für den Insolvenzverwalter geschaffen, selbständige Tätigkeiten von Insolvenzschuldnern aus der Insolvenzmasse freizugeben. Gleichzeitig war es erklärtes Ziel des Gesetzgebers, die Selbständigkeit von Insolvenzschuldnern zu fördern. Seitdem machen Insolvenzverwalter von der Möglichkeit der Freigabe in der ganz überwiegenden Zahl der Einzelunternehmer-Insolvenzen Gebrauch. Durch diese Freigabeerklärung wird der Schuldner mit seinem Gewerbebetrieb aus dem Insolvenzbeschlag entlassen und bekommt das Kommando bei der Sanierung seines Betriebes von dem Insolvenzverwalter zurückübertragen.

Von der Freigabe erfasst ist sämtlicher Neuerwerb, also alle Einnahmen, die der Schuldner nach der Freigabe aus seiner selbständigen Tätigkeit erwirtschaftet. Ebenfalls unterliegen dem freien Zugriff sämtliche Gegenstände, die nach den Regeln des § 36 Abs. 1 Satz 1 InsO i. V. m. § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO zur Fortsetzung der selbständigen Tätigkeit erforderlich sind. Hierzu zählt jedenfalls die notwendige Betriebs- und Geschäftsausstattung, regelmäßig jedoch nicht der noch vorhandenen Warenvorrat. In der Regel ist es allerdings möglich, sich hinsichtlich der Warenvorräte mit dem Insolvenzverwalter auf einen günstigen Erwerb aus der Insolvenzmasse zu einigen. Offene Forderungen gegen Kunden, die bereits vor der Freigabe bestanden haben, verbleiben allerdings als Vermögenswerte bei dem Insolvenzverwalter, ebenso wie weitere Sachen und Rechte, die nicht zwingend für die Fortsetzung der selbständigen Tätigkeit erforderlich sind. Für den selbständigen Schuldner ist es regelmäßig aber zu verkraften, dass sein Bestand an Altforderungen und sonstigen nicht betriebsnotwendigen Vermögenswerten bei dem Insolvenzverwalter verbleibt, nachdem dieser das Gewerbe aus der Insolvenzmasse freigegeben hat. Denn zeitgleich verliert der Schuldner faktisch sofort auch sämtliche bestehenden Schulden aus privatem oder geschäftlichem Bereich. Juristisch bleiben die gegen den Schuldner gerichteten Forderungen zwar zunächst bestehen; sie dürfen durch die Gläubiger aber nur nach den Regeln der Insolvenzordnung (Anmeldung zur Insolvenztabelle, §§ 87, 174 InsO) geltend gemacht werden. Zusätzlich wird das von der Freigabe erfasste Betriebsvermögen durch das Vollstreckungsverbot des § 89 Abs. 1 InsO sowie durch das in der Restschuldbefreiungsphase geltende Vollstreckungsverbot des § 294
Abs. 1 InsO vor zwangsweisen Zugriffen der Altgläubiger geschützt.

Unmittelbare Folge der Freigabe des Geschäftsbetriebes ist jedoch die Pflicht des selbständigen Schuldners, seine Gläubiger durch Zahlungen an den Insolvenzverwalter bzw. den Treuhänder so zu stellen, als wäre er ein angemessenes abhängiges Beschäftigungsverhältnis eingegangen. Entgegen weit verbreiteter Meinung gilt diese Regel nicht erst in der Restschuldbefreiungsphase, sondern bereits im eröffneten Insolvenzverfahren nach einer Freigabe des Geschäftsbetriebes des Schuldners (vgl. § 35 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 295 Abs. 2 InsO entsprechend). Bedeutsam für den Schuldner ist die Frage, wie die an den Insolvenzverwalter oder Treuhänder zu leistenden Zahlungen tatsächlich zu bemessen sind. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Schuldner die Höhe der Zahlungen gleichsam auf eigenes Risiko selbst festlegen kann. Zur Bestimmung der Höhe der monatlichen Zahlungen des Schuldners im freigegeben Betrieb – egal ob im Insolvenzverfahren oder in der Restschuldbefreiungsphase – ist also weder der Insolvenzverwalter noch irgendein Gläubiger befugt. Die Festlegung der Zahlungen obliegt vielmehr dem Schuldner selbst.

Dabei ist Maßstab das, was er aufgrund seiner persönlichen Lebensumstände (gesundheitlicher Zustand, Zahl der Unterhaltspflichten, ggfs. Kindererziehung, Berufserfahrung, berufliche Qualifikation etc.) für ein monatliches Netto-Erwerbseinkommen auf dem Arbeitsmarkt erzielen könnte. Dieses zu erwartende Einkommen ist von dem Schuldner festzulegen und sodann der monatlich
pfändbare Betrag nach der aktuellen Pfändungstabelle zu ermitteln.

Damit das Gericht überprüfen kann, ob der Schuldner bei der Festlegung dieses Betrages alles richtig gemacht hat, kann es beim Schuldner die dazu erforderlichen Informationen abrufen – mehr aber nicht. Es kann insbesondere nicht verlangt werden, dass der Schuldner Gewinne aus seiner aktuellen selbständigen Tätigkeit offenbart, stellt der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung klar.

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